Wenn Musik zur Sprache wird
In Haldern hat Musik schon immer als Brücke gedient, um Menschen zu verbinden und den Dialog zu fördern. Der Ursprung des Haldern Pop Festivals in den 1980er-Jahren, als alles mit Vinylplatten und gegenseitigen Vorspielbesuchen begann, hat sich zu einem Ort des musikalischen Austauschs und der Zuversicht entwickelt. Am Sonntag fand hier die Premiere der Veranstaltungsreihe „Über Morgen müssen wir reden!“ statt, ein Format, das Musik und Politik zusammenbringt. Der Ansatz: Politiker:innen präsentieren nicht nur ihre Ideen, sondern auch Songs, die ihre Werte und Visionen ausdrücken – jeweils ein Song zu internationalen, nationalen und regionalen Themen.
Die Veranstaltung begann international in der voll besetzten Bar mit einem Klassiker: John Lennons „Imagine“. Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen, wählte diesen Song bewusst. „Trotz aller Krisen und Konflikte sollten wir nicht aufhören, uns eine bessere Welt vorzustellen“, erklärte sie. Lennons Vision einer Welt ohne Grenzen und Kriege wirkte wie ein stilles Manifest.
Olaf Plotke, Bundestagskandidat der Grünen für den Kreis Kleve, präsentierte dem Publikum einen anderen Ton. Heinz Rudolf Kunzes „Deutschland (Verlassen von allen guten Geistern)“ war sein erster Song des Tages. „Ein Lied, das uns dazu zwingt, ehrlich zu sein“, sagte er. Kunzes kritische Texte forderten das Publikum auf, die Verantwortung Deutschlands im internationalen Kontext zu hinterfragen und aktiv zu gestalten.
Hoffnung und Heimat als Versprechen
Die nationale Ebene wurde durch Haßelmanns gewählten Song „Reise“ eingeleitet, geschrieben von ehemaligen Mitgliedern der Band WIR SIND HELDEN. Eine Premiere in der Pop Bar, da der Song erst kurz vor der Veröffentlichung steht und die Grünen im Wahlkampf begleiten soll. Die Botschaft: Wandel ist unvermeidlich, erfordert jedoch Mut und Kreativität. „Wir können die Probleme der Zukunft nicht mit den Werkzeugen der Vergangenheit lösen“, betonte sie und sprach damit auch die Klimakrise an. Der Song, durchzogen von lyrischer Hoffnung und Dringlichkeit, bildete einen emotionalen Höhepunkt, insbesondere mit Haßelmanns Appell: „Wir haben eine Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen. Unsere Kinder und Enkelkinder werden uns fragen, was wir heute getan haben, um ihre Zukunft zu sichern.“
Plotke, Vater von zwei kleinen Kindern, brachte Ringo Starrs „It Don’t Come Easy“ mit. Die Zeilen „You gotta pay your dues if you wanna sing the blues, and you know it don’t come easy“ standen sinnbildlich für seine Botschaft: Veränderung ist schwierig, aber notwendig. „Unsere Kinder verdienen es, dass wir uns anstrengen“, erklärte er und appellierte an die gemeinsame Verantwortung der Gesellschaft.
Den Abschluss bildete die Diskussion über regionale Themen. AnnenMayKantereits „Kein Stern“ stand für Haßelmanns Verständnis von Gemeinschaft. „Heimat ist mehr als ein Ort. Es ist ein Gefühl, das durch Begegnungen und Engagement entsteht“, erklärte sie. Sie erinnerte an die Bedeutung lokaler Treffpunkte wie Bolzplätze und ehrenamtliche Initiativen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Plotkes Wahl fiel auf „The Village Green Preservation Society“ von The Kinks. Sein Appell: Tradition und Fortschritt dürfen keine Gegensätze sein. „Es sind die kleinen Dinge, die ein Dorf lebendig halten. Kneipen, Sportvereine und Musikfestivals wie das Haldern Pop sind das Herzstück unseres Lebens hier“, betonte er. „Dieses Lied erinnert uns daran, dass das Bewahren und das Erneuern Hand in Hand gehen müssen.“
Eine intime Atmosphäre und Blick in die Zukunft
Der späte Nachmittag endete mit einer offenen Fragerunde, die zeigte, wie vielfältig die Themen sind, die den Menschen am Niederrhein unter den Nägeln brennen. Eine Besucherin sorgte sich um die marode Infrastruktur der Schulen: „Warum müssen unsere Kinder in maroden Gebäuden lernen, während andere Länder längst in Bildung investieren?“ Ein anderer Gast sprach das Thema soziale Gerechtigkeit an und fragte: Wie können wir verhindern, dass die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinander geht? Haßelmann betonte die Bedeutung langfristiger Investitionen und eines gesellschaftlichen Wandels, während Plotke vor der Gefahr warnte, soziale Errungenschaften zu verlieren. „Demokratie ist nicht selbstverständlich. Sie muss jeden Tag aufs Neue verteidigt werden“, sagte er unter dem Beifall des Publikums.
Die Premiere von „Über Morgen müssen wir reden!“ hat gezeigt dass die Kombination aus Musik, Diskussion und Publikumseinbindung einen interessanten Gegenentwurf zur oft als starr empfundenen politischen Kommunikation darstellen kann.
- © Christoph Buckstegen
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- Foto: Privat
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